Erlös des Begegnungscafés ist für Erdbebenopfer bestimmt

Refugium: Geld soll den Verwandten von Azad Schababo zugutekommen. Café ist am Sonntag, 5. März, von 14 bis 17 Uhr geöffnet

TROST FINDET AZAD SCHABABO (LINKS) BEI DR. STEFFEN SCHÜRLE. BILD: ELISABETH ENGLERT

TROST FINDET AZAD SCHABABO (LINKS) BEI DR. STEFFEN SCHÜRLE. BILD: ELISABETH ENGLERT

Von Elisabeth Englert

Ahorn. Der schelmische Blick aus den ansonsten hellwachen Augen ist verschwunden. Die freundlich wirkenden Lachfältchen haben sich tief eingegraben und verstärken den traurigen Blick. Die volle schwarze Haartracht ist kurz geschoren als Zeichen der Trauer.

Schwere Schicksalsschläge

Was ist geschehen? Der seit acht Jahren mit seiner Familie im Ahorner Ortsteil Eubigheim lebende Syrer Azad Schababo hat bei der Erdbebenkatastrophe, die am 6. Februar große Teile Syriens und der Türkei heimgesucht hat, seinen Neffen und dessen Frau verloren.

Die Kleinstadt Dendres, in der die beiden in einer Mietwohnung lebten, ist dem Erdboden gleich, kein Stein steht mehr auf dem anderen. Die furchtbaren Bilder, die über die Fernsehgeräte in die Stuben flimmern, lassen niemanden ungerührt. Unvorstellbar hingegen das Leid der direkt Betroffenen sowie derer, die liebe Verwandte, Freunde– schlichtweg ihre Wurzeln – dort haben. So auch Schababo, der kurze Zeit nach der verheerenden Naturkatastrophe einen Anruf von seinem Neffen, dem Sohn seines Bruders erhielt mit den Worten: „Onkel, weißt du, Giwara ist gestorben.“ Der 23-jährige Sohn seiner in den Niederlanden lebenden Schwester namens Giwara befand sich mit seiner schwangeren Frau auf dem Weg ins Freie. Dieses haben sie leider nicht mehr erreicht.

Im Treppenhaus, voll von panisch Flüchtenden, stürzten Mauern und große Betonteile auf sie herab und begruben sie unter sich. Eine Tragödie für die Familie, die noch unvorstellbarer wird, wenn man erfährt, dass seine Schwester Sirin bereits zwei Söhne im Kampf gegen den IS verloren hat. Man spürt, wie tief ihn dieses schlimme Schicksal anrührt, wie er mitleidet und mitfühlt.

Abschied nehmen von den Lieben sei unmöglich, berichtet er mit ernster Stimme. Zum einen auf Grund der räumlichen Distanz, zum andern würden die Verstorbenen schnell bestattet, ohne dass die vor Ort lebenden Angehörigen sie sehen. Sie wiesen teils furchtbare Verletzungen auf. Ein kleiner Trost sei, dass man im Rahmen des Möglichen versuche, sie gemäß den religiösen Riten zu bestatten. Die Telefongespräche mit seiner Schwester gehen ihm nach. „Es geht ihr nicht gut.“

Doch damit nicht genug. Seine Familie betrauere mehrere entferntere und nähere Verwandte und habe zahlreiche Verletzte. Seinem Onkel sei durch ein herabstürzendes Betonteil ein Bein abgetrennt worden. Immerhin habe er Aufnahme in einem Krankenhaus gefunden. „Es ist zu wenig Eisen in den Gebäuden, nicht wie hier in Deutschland“, beklagt er. Auch seine nur wenige Kilometer hinter der türkischen Grenze lebende Mutter, Schwester und deren Sohn wurden Opfer dieses schlimmen Erdbebens.

Aus Syrien geflüchtet hausten sie – das Wort wohnen würde die Situation nicht treffen – in einem Keller. Das Haus darüber sei einsturzgefährdet und dürfe nicht mehr betreten werden. Seither lebten sie bei eisiger Kälte auf der Straße. Dankbar sei er über die Hilfe der EU, doch liege die Verteilung der Hilfsgüter in türkischer Hand. Und diese bediene zuvorderst ihre eigenen Staatsangehörigen.

Als kleiner Junge Erdbeben erlebt

Als kleiner Junge habe er ein Erdbeben erlebt, erinnert sich der dreifache Familienvater, aber so schlimm sei das nicht gewesen. Die Orte seien nun komplett unbewohnbar, müssten eingeebnet und wieder neu aufgebaut werden.

Auch Afrin, Distrikthauptstadt und Wohnort seiner Schwiegermutter und Schwägerin sowie Heimat seiner Frau Nigar sei schwer betroffen. Wie Gerippe ragen die zerstörten Wände und Mauern in den Himmel. Wer sein Obdach nicht verloren habe, habe oftmals seine Arbeitsstelle, sein Einkommen, seine Perspektive, schlichtweg seine Zukunft verloren.

„Wir wollen uns solidarisch zeigen“, betont Dr. Steffen Schürle, Vorsitzender des Vereins Refugium – Orientalischer Garten, bei dem Schababo sich sehr eingebracht habe. Er sei eine maßgebliche Stütze dieses Projekts. „Ohne ihn würde es das so nicht geben“, wertschätzt Schürle und betont die persönlich nahegehende Betroffenheit dieses Schicksals. Umgehend habe man sich im Vorstand beraten und beschlossen, den Erlös des Begegnungscafés am Sonntag, 5. März, im Refugium in Schillingstadt den Familien im Erdbebengebiet zugutekommen zu lassen. Über ein sicheres familiäres Netzwerk komme das Geld direkt bei den Geschädigten an.

Trauer, Ergriffenheit und Dankbarkeit vermischen sich in Schababos Worten: „Ich danke Deutschland seit ich hier bin und nun danke ich nochmals. Auch für die Hilfe für die Ukraine.“ Ein Zeichen von Großmut des gut integrierten Familienvaters, dessen Tochter am Kinderfasching als Prinzessin einen Auftritt hatte. Als Zeichen des Respekts und der Dankbarkeit werde seine Frau orientalische Spezialitäten für die Gäste backen, die darüber hinaus eine Tortenauswahl, alle von den Bäckerinnen gestiftet, im orientalischen Ambiente erwartet. Die Verantwortlichen freuen sich über alle, die kommen und auf diese Weise einen Beitrag zur Linderung der Not leisten. Und wie der Name „Begegnungscafé“ impliziert, werden auch Azad und Nigar Schababo da sein. Hilfsbereitschaft von hier aus als, wie Schürle es ausdrückt: „Ein schönes Zeichen von Menschlichkeit.“