Besonderer Ort für besondere Begegnungen
Refugium – Orientalischer Garten: Offizielle Einweihung bot Infotainment im besten Sinne und ließ den Abend zu einer kurzweiligen Angelegenheit werden
Prime-Time Samstagabend: Thomas Gottschalk plaudert mit seinen Gästen. Wir befinden uns im Dokumentations- und Begegnungszentrum des Vereins „Refugium – Orientalischer Garten“ und denken unwillkürlich an Fernsehshows. Wie das? Die FN klären auf
Von Elisabeth Englert
Schillingstadt. Auf der kleinen, mit Teppichen ausgelegten Bühne vor dem großen Kamin stehen fünf Retro-Sessel um ein Tischchen mit Getränken. Unzählige kleine Lampen, einem Sternenhimmel gleich, lassen Sonne und Mondsichel über den Köpfen der Zuschauer golden erstrahlen. Daniel Wittmann, Vereinsmitglied und Moderator des Abends plaudert entspannt mit seinen Gesprächspartnern, ganz nach Manier des vorgenannten Showmasters. Einziger Unterschied: die „herbstblond“ gelockte Haartracht und die schrillen Outfits fehlen.
Gespräche statt Grußworte
Angesichts der vielen Gäste entschied man sich in Vorbereitung des Abends bewusst für dieses, etwas andere Format. Statt eines Grußwortmarathons ließen sich im Dialog Wiederholungen vermeiden, verschiedene Perspektiven beleuchten, wichtige Informationen sowie kurzweilige Unterhaltung bieten. In drei Themenblocks stellten sich die Gäste den Fragen des Moderators.
Im ersten gaben Dr. Steffen Schürle, Vereinsvorsitzender, Tobias Ziegler von der baubegleitenden Firma Masswerk 5, Künstlerin Jenny Rosenberg sowie der Syrer Azad Schababo Auskünfte über die Entwicklung des Projekts, beginnend mit der Ankunft der Geflüchteten im Januar 2016 bis hin zum letzten Tüpfelchen auf dem i. Gottvertrauen, schlaflose Nächte, Spontanität begleiteten die Herausforderungen der Bauphase. Die die Blicke anziehende, den Raum auf drei Seiten umsäumende Balustrade zieren Sonne, Mond, Wasser, Wind, „Elemente, die jeder Mensch sieht, egal in welchem Land er lebt“, erklärt Rosenberg ihre Inspiration. Winzige Samen- und Sandkörner, die mühelos Grenzen überwinden, „schweben“ in luftiger Höhe. Und wieder ein Déjà-vu. Der Saharastaub schießt in den Sinn.
Die folgende Talkrunde thematisierte Flucht und Vertreibung und wie Integration mit Hilfe von Politik und Kirche gelingen könne. Betroffen machend die Schilderungen von Fatima Dannoun und Omar Ahmed aus Syrien. Dennoch gelang Wittmann der Spagat zwischen beklemmender Fluchterfahrung und hoffnungsvollem Neubeginn, zwischen Tragik und Unterhaltung. Deutlich zu Tage trat die Begegnung der Kulturen beim gemeinsamen Kochen und Essen und so erfuhr man ganz nebenbei, dass „Himmel und Hölle“ zu den Lieblingsgerichten des Schillingstadter Pfarrers Philip Tecklenburg gehört. Die Kirche kümmere sich schon seit jeher um Geflüchtete, denn alle seien Kinder Gottes, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft oder Religion. „Kirche, das sind wir alle“, erteilte Tecklenburg mit einem flammenden Appell diesen Auftrag an „alle.“
Auch für MdB Nina Warken sei die Integration sehr wichtig und gehe mit dem Spracherwerb einher. Mit Offenheit auf beiden Seiten, ohne die Herkunft beiseitezulegen sowie der Unterstützung durch die Politik könne dies gelingen. Sie wertschätzte die Begegnung der Kulturen in den Vereinen, insbesondere auch das „Abenteuer“ sowie die Leistungen des Vereins „Refugium – Orientalischer Garten“, der hoffentlich noch viele begeistere.
Mehrwert für die Gemeinde
„Großes auf der Welt entsteht nur, wenn einer mehr tut als er muss“, bekräftigte Ahorns Bürgermeister Benjamin Czernin in Talkrunde drei, in der der Mehrwert für Gemeinde und Region herausgearbeitet wurde. Gelungene Integration, touristische Attraktivität sowie eine einmalige Begegnungs- und Eventlocation bereichern die Kommune. Als leidenschaftlicher Standesbeamter freue er sich über das „grüne Trauzimmer“ und hatte humorvoll mit „heiraten hier, Scheidung nebenan“ im Hinblick auf Daniela Schürles Anwaltskanzlei die Lacher auf seiner Seite.
Das Angebot wahrnehmen
Ortsvorsteher Peter Loschek bedauerte, dass „nicht jeder hinter dem Projekt steht“ und führte dies auf ein „Wissensdefizit“ zurück. Er hoffte, dass künftig viele die Angebote wahrnehmen und die einladende Atmosphäre auf sich wirken lassen.
Stefanie Quenzer, stellvertretende Vorsitzende des Turnvereins fühlte sich angesichts des orientalischen Flairs an ihren Aufenthalt in Marrakesch erinnert. Vergleichbares suche man hierzulande vergebens.
Mit „Kommt lernt uns kennen!“ appellierte Wittmann, der kurzweilig und souverän durch den Abend führte, sich ein eigenes Bild dieses Projekts zu machen.
Aufgrund von Terminüberschneidungen nicht auf den Sesseln Platz nehmen konnte Landtagsvizepräsident MdL Prof. Dr. Wolfgang Reinhart, der kurz zuvor diesen „großartigen Ort der Begegnung“ besuchte. Die Leader-Förderung sei in der „Investition in die Zukunft des ländlichen Raums“ gut angelegt. Ihm sei das Projekt durch die Berichterstattung in den Fränkischen Nachrichten bekannt, doch seien die Eindrücke vor Ort durch nichts zu übertreffen, schwärmte er. Womit wir wieder beim Appell Wittmanns wären: „Kommt, lernt uns kennen!“
Beginnend mit der Ankunft der Geflüchteten bis hin zur Fertigstellung der Anlage dokumentierte Christian Scholz, stellvertretender Vorsitzender die Entstehung in einer informativen Bilderschau. Mit einem Bildband über den Werdegang des Objekts sowie Blumen für Daniela Schürle honorierten die Vereinsmitglieder das enorme Engagement der Eheleute sowie Azad Schababos.
Musikalisch gestaltet wurde der Abend von Susanne Nakaschima sowie Susa Schweizer an der Violine mit Stücken, die Bezug zu Flucht und Vertreibung aufwiesen. Überdies stellte Claudia Buder, Professorin für Akkordeon an der Musikhochschule Weimar mit folkloristischen Stücken aus Mazedonien, Bulgarien oder Siebenbürgen die Balkanroute musikalisch nach.
Einen Augenschmaus boten die Akteurinnen der Tanzvilla Creglingen mit ihren orientalischen Tänzen unter Leitung von Jeanette Kellert. Ob mit Pluderhose und klimperndem Hüfttuch, ob im roten Rock – sie zauberten den Hauch von tausendundeiner Nacht ins Gemäuer.
Der Mix aus Dialog, Musik, Tanz sowie einem orientalischen Buffett ließ die Gäste ins Gespräch kommen, so dass Wittmann nicht zu viel versprach, als er prognostizierte „Refugium ist Begegnung, heute Abend findet Begegnung statt.“