„Leader“-Tafel nach der Fertigstellung jetzt überreicht / Freude, Stolz und Erleichterung beim Verein „Refugium – orientalischer Garten“
Strahlkraft reicht weit über die Region hinaus
Gut viereinhalb Jahre sind von der Beschlussfassung der „Leader“-Förderung bis zur symbolischen Tafelübergabe vergangen. In diesem Zeitraum entstand in Schillingstadt das Dokumentations- und Begegnungszentrum – für die Region einzigartig.
Von Elisabeth Englert
Schillingstadt. „Es ist geschafft!“ In diesen drei Worten liegt die ganze Bandbreite an Emotionen, die Dr. Steffen Schürle, Vorsitzender des Vereins „Refugium – orientalischer Garten“, mit seinen Weggefährten durchlebte. Freude, Stolz und Erleichterung, aber auch Ratlosigkeit, Ernüchterung und Erschöpfung prägten diese Zeit angesichts dieses herausfordernden Projekts, doch haben nun eindeutig die positiven Gefühle die Oberhand. Und ja – diese sind durchaus berechtigt, denn es entstand ein außergewöhnliches Bauwerk mit angrenzendem Garten, wie es in Gemeinde und Landkreis kein weiteres Mal zu finden ist.
Großes geschaffen
Schon beim Betreten springt vor dem Haupteingang die Skulptur „Aus allen Himmelsrichtungen“ des heimatvertriebenen Künstlers Hans Huschka ins Auge und steht für die aus vielen Nationen am Bau beteiligten Menschen, die gemeinsam ein großes Ganzes geschaffen haben.
Der großzügige Innenraum besticht durch Helle und Weite und lenkt unweigerlich den Blick durch die gebäudehohe Glasfront auf die Terrasse und den ummauerten orientalischen Garten mit seinen Brunnen. Auf der Galerie befindet sich eine Dauerausstellung zum Thema Flucht und Vertreibung, die mit eindrucksvollen Porträts die bewegenden Schicksale von Geflüchteten aus Nah- und Fernost, den Sudetengebieten oder Osteuropa veranschaulicht. Die massive Brüstung der Galerie wurde künstlerisch von Jenny Rosenberg gestaltet, der es gelang, die Schwere in luftige Leichtigkeit zu verwandeln. Blumen, eine prall aufgehende Sonne, eine hauchzarte Mondsichel, ein stilisierter Windhauch erinnern an eine Wüstenlandschaft. Die Verwendung nur weniger satter Farben und klarer Motive tun ihr Übriges, tragen die Sandkörner scheinbar luftig-leicht nach draußen und schaffen so einen Übergang vom Innen- zum Außenbereich.
Die über 40 von der Decke hängenden Lampen suggerieren bei Dunkelheit einen Sternenhimmel, der sich überdies in Natura auf der Dachterrasse bestaunen lässt. Liegestühle und eine Bar sorgen für eine Atmosphäre, die ihresgleichen sucht.
Noch knistert kein Feuer im großen Kaminofen im Gastronomiebereich, dennoch strahlt dieser eine einladende Gemütlichkeit aus. Teppiche mit orientalischen Mustern, ebensolche Schüsseln und Schalen, Messinglampen und Vasen – Accessoires, die man erst auf den zweiten Blick wahrnimmt, spülen vergessene Märchen aus den Untiefen des Gedächtnisses nach oben und zaubern ein geschmackvolles, stimmiges Ambiente.
Der auf drei Ebenen angelegte Garten mit seinen Brunnen, Sitzgelegenheiten und der mittig thronenden Libanonzeder vervollkommnen diesen Eindruck.
Nicht verwunderlich, dass solch eine Herkulesaufgabe manch schlaflose Nacht bereitet habe, erinnert sich Dr. Schürle. Doch seien bereits beim Entstehen, wie der Name schon sagt, Begegnungen und daraus Freundschaften entstanden. Besonders für die Mitglieder des Vereins Refugium fand er lobende Worte. „Ohne euch wäre das heute noch nicht fertig.“
Auch durfte man stets auf die Unterstützung der Gemeinde Ahorn, sei es Altbürgermeister Elmar Haas oder Bürgermeister Benjamin Czernin, auf die Gemeinderäte sowie den Ortschaftsrat zählen. Man habe versucht, das Vorhaben offen nach außen zu kommunizieren, berechtigte Kritik wie die Parkplatzproblematik oder Lärmemissionen zufriedenstellend zu lösen. 12 000 ehrenamtliche Arbeitsstunden wurden geleistet, Geflüchtete niedrigschwellig integriert und in den Arbeitsmarkt eingegliedert.
Die Erfahrungen seien überwiegend gut gewesen, natürlich habe es auch Menschen gegeben, für die die Integration ein längerer Weg werde. „Wir dürfen mit unseren Integrationsbemühungen nicht nachlassen“, mahnte der engagierte Pädagoge. So leisten künftig das Begegnungscafé sowie das gemeinsame Kochen und Essen von zugewanderten und einheimischen Frauen wertvolle Beiträge.
Fertigstellung verzögert
Die Pandemie habe die Fertigstellung verzögert, doch hoffe er nun inständig, dass die Gastronomie anlaufen und auch Familien- und Firmenfeiern stattfinden können. Man beginne maßvoll, „wir müssen uns erst herantasten und Erfahrungswerte sammeln“. Fest stehe, dass nach dieser pandemiebedingten kleinen Eröffnungsfeier im kommenden Frühjahr eine offizielle im großen Rahmen stattfinde.
Mitglied Klaus Merkert dankte im Namen des Vereins dem Ehepaar Schürle sowie dem zweiten Vorsitzenden Christian Scholz für deren Engagement bei der Umsetzung dieses „unvorstellbaren Vorhabens.“
„Ich bin froh und stolz, ein solches Projekt in unserer Gemeinde vorzufinden“, freute sich Bürgermeister Benjamin Czernin. Er sei überzeugt, dass dieses auch über die Kreisgrenzen Beachtung finden werde.
Sprach-, aber auch persönliche Barrieren seien überwunden, eine sinnvolle Integration von Geflüchteten ermöglicht worden.
In Vereinsmitglied Susanne Nakajima aus dem benachbarten Neckar-Odenwald-Kreis brenne noch immer das „Feuer der Begeisterung“ und sie betonte die Wichtigkeit der alltäglichen Dinge, wie gemeinsam kochen und essen bei den anvisierten Kochtreffs, „denn da begegnet man sich auf Augenhöhe und kommt zusammen“.
Alfred Beetz, Vorsitzender der „Leader“-Aktionsgruppe Badisch-Franken, strahlte angesichts des gelungenen „Vorzeigeprojekts mit Stil und Format“, das man mit der Beschlussfassung vom 5. Dezember 2016 kräftig unterstützt habe. Das Begegnungscafé, kulturelle Seminare oder Kochevents beträfen den privat-gewerblichen Bereich, der zur finanziellen Absicherung des Projekts diene. Der Fördersatz betrug 40 Prozent.
Vorgaben bestens erfüllt
Der Bau des Gartens sowie des Dokumentations- und Begegnungszentrums mit seiner Dauerausstellung und dem Hauptaugenmerk auf Integration, falle in den gemeinwohlorientierten Bereich mit einem 60-prozentigen Fördersatz. Alle Vorgaben seien bestens umgesetzt worden, „es gibt keinen Punkt, an dem nicht ein Häkchen drangemacht werden konnte“, lobte der Vorsitzende und überreichte zusammen mit seiner Stellvertreterin Petra Jouaux für die beiden Projekte die Leadertafeln.
Auch Schillingstadts Ortsvorsteher Peter Loschek zeigte sich sichtlich erfreut, wie schön alles geworden sei und zeigte sich nach eigener Aussage überzeugt, dass dieses außergewöhnliche Bauwerk mit seiner Bestimmung eine Bereicherung für die Ortschaft sei.
Weitere Informationen unter: Info@refugium-orientalischer-garten.de